Mittwoch, 28. Mai 2003

Tag E-3

- Die Kraft des Wassers -

Sunrise Reykjavik 03:35

Moonrise Reykjavik 03:46

Sunset Vik 22:54

Moonset Vik 19:25

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Reykjavik - Geysir- Gullfoss - Vik (ca. 350km)


Nach einer hellen und unruhigen Nacht ergibt sich beim Frühstück im Hotel der erste Kontakt zu einem Deutschen, der ebenfalls feste Pläne zur Sonnenfinsternisbeobachtung hegt. Von Akureyri aus will er in 650m Höhe von einem Berg die Finsternis erleben. Er geht definitiv von Wolkenfreiheit aus. Soviel Überzeugung ist vorbildlich. Ich möchte keine Seifenblasen in Gefahr bringen und wünsche ihm viel Glück bei seinem Vorhaben.

Gegen 9.00 Uhr bringt uns ein Hertz-Mitarbeiter vom Citi-Hotel zur Mietwagenstation nahe des nationalen Flughafens Reykjavik. Der Ankunftszeitpunkt ist günstig, die Abwicklung geht schnell vonstatten. Eine lustige Begebenheit ergibt sich hier mit einem Schweizer Pärchen, die ebenfalls die Finsternis beobachten wollen. Als ich ihnen den zeitlichen Detail-Ablaufplan der Finsternis für einige östliche Orte Islands vorlege, werden sie skeptisch. Sie glauben meinen Zeitangaben nicht und sind felsenfest davon überzeugt, alle Ereignisse treten 1 Stunde später als UT ein. Hier bin ich ebenfalls nicht versucht, Seifenblasen zum Platzen zu bringen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Fred Espenak.

Unser Reisemobil für die Tour ist ein funkelnagelneuer und feuerroter Toyota Yahris. Kilometerstand Null, Erstzulassung lautet auf gestern. Das kann man haben. Nachdem das Gepäck verstaut ist, darf natürlich unser Hinweisschild, in welcher Mission wir unterwegs sind, nicht fehlen. Und dann geht's los in Richtung Hveragerdi mit unserem roten Hustenbonbon. Die Ringstrasse ist uns. Das Wetter ist absolut fototauglich; leichte Schäfchenwolken blockieren gelegentlich die Sonne und werfen bizarre Schattenmuster auf das Lava-Land. Als Reykjavik dann etwa 15 km hinter uns liegt, wird schnell klar, was mit isländischer Einsamkeit und Depression gemeint ist.

Mit weichem Moos überwucherte Lavafelder, soweit das Auge reicht. Mittendrin gelegentlich ein Stahlmast mit Richtfunk-Antennen. Man will ja schließlich Kontakt zur Heimat wahren. Zum Horizont Basaltberge, die ebenfalls mit Moosen überzogen sind. Dieser Anblick hat schon etwas magisches. Ganz selten ein Haus oder eine kleine Gruppe von Gehöften direkt vor den Bergen. Und alle haben eigene Ortsnamen. Auch die einzelnen Häuschen. Kaum Betrieb auf der Straße, selten kommt ein Fahrzeug entgegen. Wenn das der Fall ist, handelt es sich oft um einen isländischen 4x4-Monster-Truck, die im Hochland erforderlich sind. Es sind teils riesige Jeeps, mit denen man unseren Yahris glatt einladen könnte. An den Spritverbrauch darf man nicht denken - der Zweck heiligt die Mittel.

Nach einem kurzen Einkauf in Hveragerdi führt uns der Weg über die Straße 37 vorbei an Laugarvatn und von dort nach Geysir. Der Stokkur-Geysir ist das Objekt der Interesse. Schon von weitem können wir seine Wasserfontaine sehen, die er seit dem Jahr 2000 alle 5-10 Minuten verlässlich und eindrucksvoll aus dem Kraterloch schießt. Der Schwefelgeruch fällt sofort beim Aussteigen auf. Auf dem Weg zum Stokkur kommen wir an heißen Quellen vorbei. Ein Schild warnt ausdrücklich, die Hände bei sich zu behalten, was berechtigt ist. Auf gut und gerne 100°C ist das Wasser aufgeheizt.

Im Bereich des Stokkur ist der Boden gelborange und mit Schwefel gesättigt. Eine bizarre Bodenform. Im Kraterrund des nimmermüden Geysirs bewegt sich die Wasseroberfläche unruhig hin und her. Ein Eingangstor zur Hölle. Gebannt stehen die zahlreichen Besucher verteilt um die Absperrung, die weniger als einen Steinwurf weit vom Krater entfernt liegt.

ZISSSCCCHHH! Noch bevor wir das erste Bild machen, faucht der Stokkur eine 3-fach Fontaine in die Höhe. 30 Meter sind es bestimmt. Eine gewaltige Kraft; für den Moment sind die Leute dahinter nicht mehr zu erahnen.

Eine Stunde verweilen wir hier und sehen, wie die Natur uns Energie pur vorführt. Doch die Wasserausbrüche sind manchmal auch nur einfach; nicht immer folgen multiple Fontainen. Etwas abseits finden sich noch größere Krater, die ebenfalls überhitztes Wasser emporschleudern. Ein beeindruckendes und fremdartiges Vorgehen hier.

Doch noch gewaltiger und beeindruckender ist der goldene Wasserfall - der Gullfoss. Über eine erste, 11m hohe Abbruchkante stürzen die Wassermengen schließlich etwas versetzt in einen 21m tiefen Canyon. Die Gischtkrone ist gigantisch. Dank des Sonnenscheins sehen wir einen unendlichen Regenbogen, teilweise auch doppelt. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wirklich grandios. Wir durchwandern die Gischtkrone und gelangen auf dem Weg links schließlich in die Höhe der ersten, kleineren Abbruchkante, worüber sich ein stahlblauer Himmel wölbt. Was für ein Glück mit dem Wetter. Die nachfolgenden Besucher sind in der Gischtwolke auf dem Weg kaum wahrnehmbar; im Gegenlicht hat die Szenerie zusätzlich einen unheimlichen Charakter.

Um 14.30 führt uns eine längere Schotterpiste wieder zurück zur Ringstraße. Bauarbeiten sind im Gange, um die Straße zu teeren. Zwischendurch immer wieder Fotostopps. Der Hekla-Berg ist mit seinen 1450m von der Straße aus gut zu sehen. Und die nächste Attraktion wartet wieder an der Hauptstraße. Der Seljalandsfoss ist mit 40 m ein imposanter und schmaler Wasserfall. Auch hier bescheint die Sonne wieder die Szenerie, ein bunter und doppelter Regenbogen spannt sich direkt vor unseren Augen. Einige Touris wagen es, hinter der Wand des Falls vorbeizugehen. Ohne Wanderschuhe ein schlammiges Vergnügen.

 

Und wieder ein Wasserfall unweit der Straße. Der Skogafoss liegt im Halbschatten, weil die Sonnenstrahlen von einem hohen Berg daneben etwas blockiert werden. Nach dieser Session geht es weiter, und über einen Pass kommen wir um 19.00 Uhr in das überschaubare Küstenstädtchen Vik. Auffallend ist eine auf einem Hang befindliche Kirche, die von jedem Punkt des Ortes gesehen werden kann. Nächste Übernachtung ist im Edda-Hotel; es ist recht komfortabel und dank Seiteneingang ist das Kofferschleppen nur ein kurzer Weg.

Nach dem Abendessen im gegenüberliegenden Restaurant schauen wir uns ein wenig um. Der Strand ist rabenschwarz. Ein paar km vor der Küste steht eine auffällige Felsengruppe im Meer, die der Stadt ein Wahrzeichen geben. Naja, von einer Stadt kann eigentlich kaum die Rede sein, der Ort hat 250 Einwohner. Auf dem Weg zum Strand liegt  vor uns eine originalverpackte Tafel Schokolade, die auch noch den Namen Sirius trägt! Wenn das mal kein Glücksbringer ist.

Obwohl sich Stunden zuvor Seenebel ausgebildet hat, ist davon jetzt nichts mehr zu merken. Der Himmel ist vollkommen aufgeklart, und kein Wölkchen ist zu finden. Es wird sich herausstellen, dass dies der klarste Tag der gesamten Tour werden wird. Überhaupt ist die saubere Luft auffällig; Transparenz und Durchsicht sind hier auf Island noch weitestgehend gut, weil außer Fischverarbeitung und Autoverkehr keine Schornsteine einer Fabrik zu finden sind.

Unter einem blauen Himmel, der nicht richtig dunkel werden will, gehen wir zu Bett.