Mein Erlebnis- und Stimmungsbericht

der totalem Mondfinsternis vom

09. Januar 2001

- zu dritt auf der Jagd nach dem roten Mond -


Beobachtungsort: Braunshausen, Petersberg

Wetterkonditionen: Luftfeuchte >90%, Temp. -2°C, gelegentlich kräftige Windböen, Seeing schlecht

Mitbeobachter: Manfred Haberstroh, Marc Weihrauch


•  Zum Einsatz kommen folgende Gerätschaften:

•  Sony CCD-TRV 67 Hi8 Camcorder mit 20fach optischem Zoom, was einer Brennweite von ca.900 mm entspricht. Die Aufzeichnung von Ton und Zeit sind möglich. Die Kamera steht auf einem eigenen Stativ und muss von Hand nachgeführt werden. Sie soll den kompletten Verlauf der Finsternis dokumentieren.

•  Meade Refraktor 900/1000mm auf Gemini 10-Montierung. Huckepack montiert wird die Russentonne mit der Canon EOS 50, welche per IR-Auslöser gesteuert wird. Der verwendete Film ist ein Fuji Sensia II 100 ASA-Diafilm. Die Finsternis soll in 5-Minuten-Abständen festgehalten werden.  Durch die Nachführung Belichtungszeiten bis 30 Sekunden geplant.

•  Praktika MTL5-SLR-Kamera mit 20mm Weitwinkel-Objektiv. Gesamtansicht des Himmels während der Finsternis, sowie Aufnahmen des „Finsternislakens“ zum Nachweis einer rötlich schimmernden Landschaft.


... hier die ganze Geschichte dieses Abends...

Weihnachten im Jahr 2000 beschert den Astronomiefans in Nordamerika ein besonderes Geschenk. Der Neumond schiebt sich wieder zwischen Sonne und Erde, und so kommt es am 25. Dezember zu einer partiellen Sonnenfinsternis.

In Europa  feiert man den 1. Weihnachtsfeiertag zwar ohne verdeckte Sonne, aber zumindest sorgen ausreichend Wolken dafür, dass es ohnehin niemand sehen könnte. Als Ersatz bleibt mir, das himmlische Geschehen im Internet mitzuverfolgen. Ausserdem bietet Heikes Geburtstag ausreichend Anlass, dem verregneten Wetter in feinen Restaurants und grossen Kinos zu entgehen. Was nun, sollte sich dieses Szenario wiederholen? Die Wetterberichte gleichen denen vom Vorjahr in erschreckender Weise. Ich bin mir nicht sicher, ob der Optimismus von Marc Weihrauch  über die trübe Vorschau siegen kann, die uns der Wettergott Meteosat am 6. Januar nüchtern präsentiert. Als sich schliesslich eine Tendenz zu guten Beobachtungschancen der Finsternis im Südwesten Deutschlands einstellt, plant Marc, aus Halle zu mir zu fahren. Zum gemeinsamen Beobachten kommt natürlich auch Manfred. Somit ist zumindest eine kleine Fraktion aus Deutschland noch vor der „grossen Finsternisreise“ im Juni 2001 zusammengekommen.

Am Sonntag  finde ich Gelegenheit, mich technisch auf die Finsternis vorzubereiten. Hauptsächlich möchte ich das Programm des vergangenen Jahres wiederholen, weil ich erst einmal die besten Belichtungszeiten für die einzelnen Gerätschaften kennenlernen möchte.

Wetterbericht und Vorhersage von ZDF-MSNBC am 6. Januar 2001 :

Die Wettervorhersage für Deutschland, ausgegeben am 06.01.01 um 11:15 Uhr: Am Sonntag ist es im Süden bedeckt und zeitweise fällt etwas Regen, ab rund 800 Metern Schnee. In den anderen Gebieten ist es wechselnd bewölkt und meist trocken, im Tagesverlauf kommt von Nordwesten her allerdings etwas Regen auf. Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 2 und 9 Grad.

Vorhersage für Deutschland:

Heute in der Osthälfte anfangs wolkig und trocken. Im Tagesverlauf wie bereits im Westen stark bewölkt und zum teil länger anhaltender Regen. Dabei vor allem im Westen und Norden stark auffrischender Südwestwind, der in Böen auch Sturmstärke erreichen wird. Höchstwerte zwischen 6 Grad im Osten und 12 Grad am Oberrhein. In der Nacht fällt vor allem im Süden und Osten weiterer Regen, während in den anderen Gebieten die Bewölkung teilweise auflockert. Weiterhin stark windig mit einzelnen Sturmböen. Tiefsttemperaturen 6 - 9 Grad.
Morgen im südlichen Bayern bedeckt mit Regen. Sonst wolkig mit Aufheiterungen und nur vereinzelte Schauer. Temperaturen 6 - 10 Grad. Abflauender Wind.

Tendenz für die Folgetage:

Am Sonntag in Südostbayern weiterer Regen. Sonst recht freundlich und kaum Niederschlag. Etwas kühler.
Am Montag im Nordwesten etwas Regen. Sonst teils wolkig, teils auch neblig trüb und trocken. 3 - 7 Grad.

Am Vortag des großen Ereignisses kommt Marc gegen 19.00 Uhr planmässig am Bahnhof in Saarbrücken an. Zusammen mit Heike hole ich ihn ab. Der Himmel ist fast perfekt klar.  Unser Vorhaben scheint unter einem guten Stern zu stehen, denn beim Verlassen des Bahnhofsgebäudes werden wir von Venus, dem fast volle Mond, sowie von Jupiter und Saturn begrüsst! Wir hoffen, das Glück bleibt uns treu. In Eppelborn angekommen, stärken wir uns erst einmal. Marc bezieht seine Bleibe für die nächsten beiden Tage. Anschliessend fahren wir zum Vorab-Spechteln mit einem Teil der Ausrüstung auf eines der Felder in Eppelborn. Zwischenzeitlich ist es wieder unfreundlicher am Himmel geworden. Der Mond versteckt sich immer wieder zwischen Schleierwolken, die schnell dahinziehen. Gelegentlich zeigen sich Jupiter und Saturn, für Sterne reicht die Sicht nicht aus. Ich zeige Marc ein paar Möglichkeiten, die die Videokamera bietet. Obwohl der Mond immer wieder völlig verschwindet, ist er im LC-Feld der Kamera deutlich erkennbar. Marcs GPS-Gerät kommt hier zum Einsatz. Die Daten sind : 

Standort Eppelborn Hirschberg : 49° 23,886’ N,  6°56.656’ E, Höhe 315m ü. NN

Ich frage mich, ob die momentane Wettersituation für den morgigen Tag ein Segen wäre. Kann das besser werden? Denn das Seeing wird immer mieser durch mehr und mehr Schleierwolken. Der Mond bleibt aber fast die ganze Zeit mehr oder weniger klar erkennbar. Nun noch ein paar Blicke durch das Okular an der Russentonne, dann packen wir ein und fahren nach Hause. Der Tag der Finsternis beginnt gegen 9.00 Uhr mit einem Blick aus dem Fenster. Und der sagt nichts gutes: Wolken über Wolken, wenigstens aber kein Niederschlag. Wir frühstücken zusammen, und dann möchten Heike und ich mit Marc nach Saarbrücken fahren, um ihm ein wenig unsere Metropole zu zeigen. Schliesslich ist es sein erster Aufenthalt im Saarland.

Zwischenzeitlich  meldet sich Manfred, um den Standort abzusprechen. Ursprünglich standen die Göttelborner Höhe zur Auswahl, dann war die Römerstrasse bei Tholey im Gespräch. Am besten schneidet allerdings immer noch der Standort Braunshausen, in der Nähe der Sternwarte ab. Nicht zuletzt ist es der beste Platz wegen des stabilen Untergrundes. Die Geräte lassen sich hier auf Asphalt aufstellen. Ausserdem ist es recht abgelegen, und nur selten verirrt sich ein PKW in diese Gegend. So beschliessen wir, falls sich nicht eine gravierende Wetteränderung einstellen sollte, am nördlich gelegenen Braunshausen festzuhalten. Nach der Stadttour verlassen wir das vollkommen bedeckte Saarbrücken, und können auch bei der Heimfahrt nur vereinzelt kleine Silberstreifen am Horizont feststellen. Das macht Hoffnung. Doch der Himmel hält sich im grossen und ganzen bedeckt. Wir durchforsten die diversen Internetseiten nach dem Wettergeschehen.

Und so zeigt sich um 15.00 Uhr eine unfreundliche Wetterkarten-Prognose für die nächsten Stunden. Demnach ziehen die Wolken lustig über das Saarland hinweg, und wir würden nichts sehen... Die französischen Wetterämter geben für Lothringen und Elsass eine ähnliche Vorschau. Was ist zu tun? Für kurze Zeit erwägen wir eine Blitzfahrt in die Umgebung nach Freiburg. Dabei verlieren wir sehr viel Zeit, die uns dann wieder für den Aufbau der Geräte fehlt.

Nach Rücksprache mit Manfred bleibt es beim ursprünglichen Standort: Auf Gedeih und Verderb Braunshausen! Marc und ich beladen das Auto. Die Ausrüstung lastet den Kombi fast vollständig aus. Noch einmal volltanken, und dann brechen wir um 17.00 Uhr über die Autobahn in’s nördliche Saarland auf. Dichte Schleierwolken halten sich beständig. Da meldet sich Heike aus Neunkirchen bei uns und berichtet, dass sich der Mond hier allmählich aus den Wolken traut. Hoffnung keimt auf! Gegen 17.50Uhr erreichen wir kurz nach Manfred unseren Spechtelplatz für den Abend. Es ist frisch, die Temperatur beträgt nur 3°C. Manfred und Marc lernen sich kennen, während der Himmel hartnäckig jeden Blick auf sich verweigert. Trotzdem wollen wir uns bereithalten und beschliessen, über den gesamten Verlauf der Finsternis hier zu bleiben. Vielleicht gelingt uns ja doch noch der eine oder andere Schnappschuss. Eine Strategie, die mir schon am 11.08.1999 einen Bildersegen bescherte!

Plötzlich sieht Marc im Westen die Venus durch die Schleierwolken durchscheinen. Wer hätte das gedacht? Schnell baue ich die Russentonne auf das Stativ, und die erste Beobachtung des Abends ist bereits gelungen. Die Venussichel ist gut im 26mm-Okular zu erkennen. Manchmal verschwindet der Planet gänzlich hinter den Wolken, blitzt aber überwiegend hindurch. Spannend die Situation am Osthimmel: Allmählich bekommen die Wolken eine hellgelbe, milchig-trübe Färbung. Der Mann im Mond meldet sich an. Jetzt schaffen es die Wolken nicht mehr, die Mondsilhouette länger zu verbergen: Der Mond schiebt sich aus den Wolken, und zeigt sich in vollbeleuchteter Pracht!

Jubelschreie, als der Star des Abends plötzlich auf die Bühne tritt. Von Osten her lockert die Bewölkung auf. Wie so oft bei hellem Vollmond, weichen die Wolken. Hier und da blinkt sogar ein Stern durch die Wolkendecke. Jupiter und Saturn gesellen sich zur Party. Die Vorfreude ist gross, und jetzt ist klar: Das wird ein grossartiger Beobachtungsabend! Doch vor dem Erfolg will die obere Etage erst einmal unseren Einsatz sehen. Während der dicke Vollmond, nichtsahnend von seiner baldigen Verfinsterung zwischen den Wolken steht, bauen wir unsere Ausrüstung auf. Und das nimmt etwa eine knappe Stunde in Anspruch.

Manfred plant ein besonderes Projekt. Er möchte auf einem einzigen Negativ den kompletten Verlauf der Mondfinsternis festhalten. Möglich ist das nur mithilfe eines genauen „Belichtungsplanes“. Eingesetzt wird ein 35mm/f2.0 Objektiv auf einer Contax-G1-KB-Kamera in Verbindung mit einem 100ASA-Negativfilm. Damit soll in fünfminütigem Abstand Bild für Bild auf das gleiche Negativ aufgenommen werden. Mittels Timer haben alle Aufnahmezeitpunkte den gleichen Abstand. Dazu kommt noch eine Praktika MTL5-SLR-Kamera mit 300mm/f4.0 Carl Zeiss Jena Teleobjektiv für etwas detaillierte Fotos. Selbstverständlich ist auch das 10“ Meade-Monster-Dobson mit einem 25cm-Hauptspiegel für Luxusblicke auf den verfinsterten Mond dabei. Manfreds Peugeot ist bis in den Beifahrerraum beladen mit Material. Marc ist Beobachter, Techniker, Lampenhalter sowie der wichtigste Mann der Stunde. Denn er wird ständig von Manfred und mir gefordert, vor allem, um Licht an die rechte Stelle zu bringen. Eine grosse Hilfe, denn es ist nicht leicht, die schwere Montierung im Halbdunkel präzise aufzustellen.

Vor dem Aufbauen noch ein letzter Blick zur dicken Venus. Ich höre, wie mein Handy im Auto klingelt. Doch die Zeit drängt, und so ignoriere ich die Melodie „morning has broken“, was nun wirklich völlig unangebracht ist. Vorrang hat erst einmal die Videokamera, denn sie wird auch wie ein unerschöpfliches Diktiergerät unsere Stimmung festhalten. Während ich die Videokamera präpariere, stellt Manfred seinen ehemaligen Gasstrahler auf. Warme Gedanken nützen nichts, es ist einfach nur kalt und wird zunehmend windiger. Marc ist mir behilflich beim Aufbau des Meade Refraktor. Das wichtigste Instrument ist bereit und wartet, die Russentonne nebst geladener Kamera in Richtung Mond nachzuführen. Geschafft! Auch bei Manfred geht es voran, ich sehe, dass sein Dobson bereitsteht, sowie 2 Stative mit Kameras bestückt sind. Abwechselnd rufen Manfred und ich nach Marc, der nicht weiss, wem er denn nun leuchten soll. Die Zeit eilt, und zwischenzeitlich ist der Mond schon in den Halbschatten der Erde eingetaucht, als es 19.15Uhr ist.

Die Zeit vergeht während dem Aufbauen der Geräte wie im Flug. Kein Wunder, ist es doch mein bisher umfangreichstes Beobachtungs-Programm. Schnell noch mal alles checken: Die Videokamera ist bereits am Aufzeichnen. Im Fadenkreuz-Okular des Refraktors ist der vollbeleuchtete Mond fixiert. Die Russentonne zeigt den gleich grossen Ausschnitt durch den Sucher der EOS50. Die Kamera ist eingeschaltet und wartet auf die Signale vom IR-Auslöser. Der Motor der Gemini-Montierung hängt an der Autobatterie und tuckert munter vor sich hin. Im angrenzenden Feld ist das berüchtigte „Finsternis-Laken“ über einem Busch aufgespannt. Hier wollen wir ein visuelles und fotografisches Experiment wagen. Zeigt sich ein rötlicher Schimmer während der Totalität auf dem Tuch? Falls wir es nicht erkennen, soll uns ein langbelichtetes Foto überzeugen. Dazu steht in wenigen Metern Entfernung das Stativ mit der Praktika SLR und 20mm Weitwinkel-Objektiv. Und der Himmel mit rotem Mond ist sicher eine schöne Kulisse, die ich ebenfalls festhalten will.

Alle Geräte sind einsatzbereit – das Ereignis kann kommen!

Zwischenzeitlich ergibt sich die Gelegenheit, den Anrufern auf dem Handy Beachtung zu schenken. Arbeitskollege Schöpfe meldet sich aus Riegelsberg und fragt noch mal nach dem zeitlichen Ablauf der Finsternis. Einzig eine dicke Wolke hindert ihn am Zusehen. Aber er ist guter Dinge und voller Hoffnung, doch noch etwas sehen zu können. Heike erzählt mir, dass der Mond in Eppelborn nun auch gut zu sehen sei. Und genau dass ist auch an unserem kalten Spechtelplatz der Fall. Äusserst wohltuend ist der Gasstrahler, in dessen Nähe die Kälte des Abends erträglicher wird. Doch zum Registrieren der frostigen Umgebung bleibt kaum Gelegenheit, denn um 19:42 Uhr geht’s los: Zunächst sind wir uns nicht sicher, doch dann erreicht der Mond den Rand des Erdschattens und die Freude bei uns ist gross. Die partielle Phase hat definitiv begonnen. Besser als mit blossem Auge ist es mit der Videokamera zu verfolgen. Und erst recht im Dobson.

Einsam und verlassen ist es hier oben nicht. Immer wieder leuchten uns vorbeikommende PKW, wohl auf dem Weg zur Sternwarte, mit ihrem Fernlicht in die Optiken. Die meisten Fahrer betrachten sich unsere Aufbauten, belegen wir doch einen nicht unerheblichen Teil des Weges.

Schliesslich stoppt ein Wagen, und wir erhalten Besuch. 2 dunkle Personen gesellen sich zu uns, die sich im Mondlicht als eine Mutter mit ihrem fünfjährigen Sohn zu erkennen geben. Frau Backes ist überrascht, in dieser Gegend überhaupt auf jemanden zu treffen. Über die bevorstehende Mondfinsternis weiss sie Bescheid, und den Blick durch die Teleskope empfindet sie sehr spannend. Ihr Sohn dürfte an diesem Abend ganz sicher sein Zubettgehen überschritten haben, doch schliesslich ist ja auch ein ganz besonderer Anlass gegeben, den Mama auch toleriert.

Im Fernsehen ist die Tagesschau fast beendet, als ein Flugzeug seine Streifenspuren genau über den etwa halb verfinsterten Mond zieht. Der Überflieger zur Primetime! Erst auf den Videoaufzeichnungen werde ich mir diesen Vorbeiflug ansehen können, denn ich bin gerade mit dem Fadenkreuzokular beschäftigt. Das Piepsen des Timers, das alle 5 Minuten tönt, ist für Manfred das Zeichen, eine weitere Serienaufnahme zu schiessen.

Gegen 20.35 Uhr ist es eindeutig – die unbeleuchtete Seite des Mondes ist mit blossem Auge in zartem Orange überzogen. Viel deutlicher zeigt es die Videokamera, der CCD-Chip beweist seine Stärke. Die Kontraste zwischen beleuchteter und unbeleuchteter Seite werden immer extremer. Und langsam werden mehr und mehr Sterne sichtbar.  

21.45 Uhr: Nur  noch eine kleine Ecke des Mondes wird vom Sonnenlicht getroffen. Jetzt sieht es aus wie eine schnell dahinschmelzende Polkappe des Mars.Marc und ich haben die gleiche Vorstellung. Fantastisch! Es ist der schönste Moment während des gesamten Finsternisverlaufes. Fast wirkt es wie der Diamantring bei einer Sonnenfinsternis. Nun ist es Zeit, die Belichtungszeiten der EOS erheblich zu verlängern. 20 Sekunden sind es bereits. Um 20.50 sind wir uns sicher, dass der Mond vollständig in den Kernschatten der Erde eingetreten ist, und erklären unter lautem Jubeln „die Totalität für eröffnet !“  

Die Sonnenfinsternis auf dem Mond hat begonnen. Ein Beobachter dort oben findet sich jetzt auf einem rötlichen Boden, die Sonne ist komplett hinter der Erde verschwunden. Die Temperatur sinkt um ca. 76°C auf eine erträgliche Bodentemperatur von 40°C., was relativ schnell abläuft. Wie sieht wohl der 2. Kontakt vom roten Mond aus? Und wann werden Menschen diese Szene mit eigenen Augen sehen können?  

Im Jahr 2001 jedenfalls wird die Finsternis noch von der Erde aus beobachtet, und 3 dieser Beobachter sind froh, dass die obere Etage das Ereignis nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit zelebriert. Der Mond sinkt immer tiefer in den Kernschatten der Erde, während es der Videokamera bereits kurz vor der Totalität zu kalt geworden ist. Schnell schalte ich sie wieder ein, und gottlob läuft sie ohne Fehlermeldung weiter. Tau macht sich massiv bemerkbar, und die Objektivgehäuse werden nass. Leider auch teilweise die Objektive selbst. Die Luftfeuchte ist extrem hoch, die Wetterämter melden 90%.  

Frau Backes und ihr höchst aufgeregter Sohn verabschieden sich; den gesamten Verlauf sehen sie sich nicht an. Sicher möchte sie ihren Sohn vor Erkältung oder Schlimmerem bewahren. Ich notiere ihre Funkrufnummer, danach freut sie sich auf ein warmes Zuhause und bricht auf. Jetzt ist es Zeit für das Maximum an Belichtungszeit: Lange 30 Sekunden sind es jetzt. Ich hege Skepsis bezüglich des Erfolges, denn kräftige Windböen fegen über die Konstruktion. Aber es muss sein, denn der Mond ist zur Totalitätsmitte um 21.20 Uhr wirklich verdammt dunkel. Die streifende Sternbedeckung ist in Manfreds Dobson wunderbar zu verfolgen, und der Himmel ist jetzt trotz Vollmond deep-sky-tauglich. Wir betrachten uns die Andromeda-Galaxie. Das Sternbild der Zwillinge ist deutlich zu erkennen, der dunkle Mond mittendrin. Jupiter und Saturn neigen sich dem Westhimmel entgegen. Orion leuchtet mit seinen Gürtelsternen unübersehbar,  und im Norden zeigt der grosse Wagen mit seinen Kastensternen steil nach oben.

Zeit, den Mond genauer und genüsslich zu betrachten. Die Farbe ist schwierig zu beschreiben. Eine Mixtour aus tief dunklem orange und braun. Am Nordwestrand bleibt eine dunkelweisse Polkappe zurück. Hier ist der Mond dem Kernschattenrand am nächsten. Da bemerke ich bei genauerem Betrachten einen bläulichen Rand um den Mond herum. Auch Marc ist der Ansicht, diesen Rand zu erkennen. Sicher ist es kein spezielles Merkmal der Finsternis, sondern eher zarter Dunst der Erdatmosphäre.

Wir stellen fest, das dies unsere erste, gemeinsame Finsternis in diesem Jahr ist. Vor einem Jahr um die gleiche Zeit kannten wir uns noch nicht einmal. Während Marc mit der Heimat telefoniert, ruft mich Heike an. Auch in Eppelborn bester Blick zum Mond, ebenso in Halle, wie Marc mir berichtet. Leider beschlägt das Objektiv der Videokamera ein zweites Mal, und wieder wird der Feuchtigkeitsdetektor der Elektronik aktiv: Erneut muss ich die Kamera reanimieren.

Die Nordwestseite des Mondes wird heller. Fast vergessen wir das Finsternislaken, dass ja immer noch über dem Strauch hängt und uns rötlich entgegenstrahlen soll. Das Tuch denkt nicht dran. Einen Versuch ist es allemal wert gewesen. Auch eine Langzeitbelichtung zeigt nur ein graues Tuch, dass in der Landschaft hängt. Dazu ist der Rückstrahleffekt einfach zu gering.

Heimlich, still und leise endet um 21.52 Uhr die einzige totale Mondfinsternis des Jahres 2001, und wir sehen jetzt nochmals eine schöne, marsähnliche Polkappe. Der Wind hat zugenommen, die Temperatur liegt bei -1,5°C. Jetzt schlägt die Feuchtigkeit in Reif um. Die rote Gasflasche ist fast völlig mit einer weissen Frostschicht überzogen. Der Blick zum Mond bleibt jedoch wolkenfrei. Stück für Stück wird der Mond wieder heller, und die Hintergrundsterne verschwinden allmählich. Die Russentonne scheint nicht vom Tau beschlagen zu sein. Gott sei Dank. Ich beginne, mich in den Gasheizer zu verlieben!  

Unsere Schatten werden wieder heller und deutlicher, die Landschaft wirkt eigenartig silbrig. Die Uhr zeigt 22.45, als der Mond nur noch wenig partiell verfinstert ist. Rund um den Mond bewölkt sich der Himmel nun mehr und mehr. Welch ein Glück, wir können scheinbar doch den kompletten Verlauf sehen. Um 23.00 Uhr ist der Zauber gänzlich vorbei, der Mond hat den Kernschatten verlassen und durchläuft nunmehr noch die Halbschattenzone. Noch wenige Minuten nach 23.00 Uhr scheint immer noch ein kleiner Teil vom Südwestrand des Mondes verfinstert, allerdings scheint es sich bloß um einen Halbschatteneffekt zu handeln.

Jetzt strahlt der Vollmond wie eh und je auf uns herab, doch als Krönung des Schauspieles gibt es zum Dessert nun noch einen 22°-Halo um den Mond. Den ersten, den ich überhaupt jemals bewusst sehe! Was für eine Zugabe! Der Wind hat weiter zugenommen. Jetzt geht’s an das Abbauen der Geräte. Ich bemerke, wie mehr und mehr Wolken den Mond umranden und ihm ein MYSTisches Aussehen verleihen. Nach einer halben Stunde ist endlich alles in den PKWs untergebracht.

Wir beschliessen, uns an der Sternwarte umzusehen, und ob hier noch ein paar Beobachter zugange sind. Mit Spannung drehe ich den Zündschlüssel und stelle erleichtert fest, dass die Batterie die Mixtour aus Entladung und Frost recht gut überstanden hat. Ein sehr kurzes Husten, dann tut der Motor seinen Dienst.

An der Sternwarte angekommen, sind wir die einzigen Besucher weit und breit, die nur noch verschlossene Türen vorfinden. Der Wind pfeift ein einsames Lied um das Gebäude, und der Halo rund um den Mond ist jetzt noch deutlicher als vorhin zu sehen. Ein fantastischer Beobachtungsabend geht zuende, es ist Zeit für die Heimfahrt. Marc verabschiedet sich von Manfred, und so verlassen wir Braunshausen über die reifüberzogene Serpentinen-Strasse. Trotzdem ist die Heimfahrt keine Odyssee, und wir sind schon neugierig auf die Beute der Videokamera. Zuhause angekommen, schauen wir uns einige Ausschnitte des Filmes an. In der internationalen Finsternisliste im Internet sind die ersten Beobachtungs-Beiträge schon nachzulesen. Nicht jeder kann sich so glücklich wie wir schätzen, denn z.B. in Norddeutschland oder der Schweiz gibt es Berichte, dass Nebel oder Wolken die Sicht allzu früh versperrte. Für Olivier aber sicher zu verschmerzen!

FAZIT:

Unglaubliches Glück gehörte dazu, dass uns der vollständige Finsternisverlauf gegönnt war. Wenn auch die Wetterbedingungen wegen der hohen Luftfeuchte sowie des Nebels als nicht optimal bezeichnet werden konnte, ist die Finsternis zu jeder Zeit beobachtbar gewesen. Wie immer - die Hoffnung stirbt zuletzt!