Der Reisebericht zur TSE2006

Sonntag, 26. März 2006

Reisetag E-3


E I N L E I T E N D . . .

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Die kleine Stecknadel

mit dem schwarzen Kopf trägt ein weißes Stück Papier mit dem Aufdruck "TSE2006" und befindet sich unmittelbar neben Konya in der Türkei. Es ist für mich immer ein besonderer Moment, die Beobachtungs-Orte meiner astronomischen Reisen auf meiner großen Wand-Weltkarte zu kennzeichnen.

Der nunmehr 9. Stecknadelkopf hat wieder einen schwarzen Kopf. Schwarz steht für die schwarze Sonne. Schwarz steht für Erfolg. Und nicht gelb. Gelb steht nur für partiell, aber kennzeichnet auch den Venustransit. Und jetzt, nach meiner 7. Reise zu einer Sonnenfinsternis weiß ich, dass alles gut gegangen ist. In 7 Jahren stand ich also über 10 Minuten im Kernschatten des Mondes. Mit Menschen, die es einfach nicht sein lassen können, dem Kernschatten wieder und wieder zu begegnen.

Die Aufstockung des Totalitäts-Zeit-Kontos ist als lebenslanges Projekt geplant und stets in Vorbereitung... In der finsternisfreien Zeit möchte ich meinen Lesern den Erlebnisbericht meiner Türkei-Sofi-Reise präsentieren. Und das war so...

Los geht's!

Was im Juni 2005 schon geplant wurde, geht nun in die heiße Phase. Richtig glauben kann ich es noch nicht, doch am Nachmittag beginnt die Reise zu einer der längeren, totalen Sonnenfinsternisse in diesem Jahrzehnt. Gebucht habe ich einen 4-Tage-Kurztrip über www.eclipse-reisen.de, betrieben von Stefan Krause aus Bonn. Vor Ort in der Türkei ist die Performans Tourism der Reisepartner.

An diesem Sonntagmorgen schaue ich mich im Wohnzimmer um und stelle fest, dass es hier immer noch wie in einem Fotoladen aussieht. Die Quizfrage: Was ist wie immer zu schwer, wiegt bereits 27kg, und enthält immer noch nicht alles, was ich für nötig empfinde? Richtig, das kann nur der Koffer sein, der mit mir auf meine 7. Reise zu einer Sonnenfinsternis gehen wird.

Entgegen der ursprünglichen Planung bin ich dieses Mal nicht in Begleitung von Heike. Wir wollen in ihrer Schwangerschaft keinerlei Risiko eingehen und Stress weitestgehend vermeiden. Zwar ist sie im 5. Monat grundsätzlich reisefähig, doch gerade für die kommenden Tage ist ein unbeschwerter Tourverlauf eher nicht zu erwarten. An ihre Stelle ist mein Cousin Bernhard Krämer aus Saarbrücken getreten. Als junger Dipl.- Elektroingenieur freut es mich im besonderen, dass er schon wenige Monate nach Beginn seiner Tätigkeit an der Uni Saarbrücken eine "Auszeit" nehmen kann, um seine erste Sonnenfinsternisreise anzutreten. Doch das hat schließlich nichts mit Vergnügen zu tun, sondern steht selbstverständlich im Auftrag der Wissenschaft! Bernhard hat im Rahmen eines Schülerprojektes eine Schaltung entworfen, die in der Lage ist, Temperatur- und Luftdruckdaten kontinuierlich zu sammeln und an einen Laptop weiterzugeben. Gäbe es denn eine bessere Gelegenheit, als solche Daten während einer Sonnenfinsternis zu sammeln, die dazu auch noch total ist? Die Platinen und Anschlüsse stehlen kaum wertvollen Platz im Gepäck. Im Gegensatz dazu belaste ich Bernhard mit einem Teil meiner Fotoausrüstung, denn ich plane nicht weniger als 7 Experimente. Was davon tatsächlich vor Ort umgesetzt werden kann, wird sich zeigen...

Die Fahrt zum Flughafen ist dieses Mal erfreulich kurz. Von Saarbrücken startet gegen 19.05 Uhr unser Zubringerflug nach München. Stunden später soll es dann nach Ankara weiter gehen. Doch in Saarbrücken statten wir zunächst Bernhard und seiner Familie in Fechingen einen Besuch ab und verteilen die Fotoausrüstung auf unser Gepäck. Gottlob hat Bernhard viel Platz im Koffer, und wir bekommen das Problem der Freigepäck-Grenze letztlich akzeptabel in den Griff. Heike fährt Bernhard und mich mit unserem schweren Gepäck zum Flughafen Saarbrücken.

Prominenz mit Daimler-Benz

Vor uns checkt ein prominenter Fluggast ein, der mit Cirrus-Airlines nach Berlin fliegt. Oskar Lafontaine führt nur leichtes Handgepäck mit sich. Von der Finsternis am 29.03. wird er wohl nichts wissen, aber in Berlin kann er gerade mal 33% maximale, partielle Phase sehen. Da treffen wir lieber die politisch korrekte Entscheidung auf ein Meeting in der Türkei...

Beim Check-in wundere ich mich zunächst, was die Lady am PC so lange tut. Sie könne meinen Namen nicht bei den Reservierungen finden, aber das sei kein Problem. Mir gelingt es nicht, aus ihrem gelegentlichen Geraune eine verwertbare Information herauszuhören. Dennoch: Minuten später bekomme ich meine Bordkarte. Es dauert nicht lange, bis ich vom Sicherheitsdienst aufgerufen werde wegen meines Gepäcks: Hab ich's doch gewusst! Der Beamte kann die Astro-Montierung und das viele Zubehör nicht deuten und schon gar nicht auf seinem Scanner erkennen. Misstrauisch beäugt er die Einzelteile im Koffer und gibt sich mit meinem Reiseanlass zufrieden, nachdem er noch einen Drogen-Check negativ erledigt hat. Nun gut, das übliche.

Bernhard und ich verabschieden uns von seiner Familie, die uns bis hierhin begleiten können. Der Abschied von Heike fällt mir besonders schwer, weil wir ja ursprünglich diese Reise gemeinsam antreten wollten.

Momente danach,

bei der Handgepäck-Kontrolle: Hier wird auch akribisch gearbeitet. Die Beamten lassen sich jeden Kabel-Fernauslöser einzeln zeigen. Kurz darauf startet eine lebhafte Diskussion über die Unterschiede der verschiedenen Kameramodelle, die ich mit mir führe. Ich beende die mitarbeiterinterne Fallstudie mit der Frage, ob ich alles wieder einpacken darf...

Unser Fluggerät ist eine wirklich kleine EMB 145 der Luxair mit gerade mal 49 Sitzplätzen. Es ist Bernhards allererster Flug überhaupt, und wie es scheint, findet er diese Art zu reisen äußerst spannend. Der Himmel ist komplett bedeckt bis auf ein sehr langes Band entlang des Westhorizonts bis zum Nordosten. Zum Verwechseln gleicht diese Wolkensituation dem Morgen des 31. Mai 2003 in Island... Seufz - was für ein Omen! Nach nur 50 Minuten in der Luft und einem leichten Snack landen wir sanft auf dem großen Münchener Flughafen.

Rund um Flug LH3362

Wir haben viel Zeit, bis die Maschine nach Ankara startet. In der Terminal-Halle ist es fast totenstill, kaum Passagiere in den Restaurants und man könnte eine Stecknadel fallen hören. Da taucht Cornelius Peetz am Check-in-Schalter auf. Nur 6 Monate nach unserer gemeinsamen Reise durch Tunesien freuen wir uns ganz besonders, wieder einmal zu einer Sofi-Tour aufzubrechen. Am Schalter dann die Überraschung: Hier erfahre ich den Grund der Unstimmigkeiten in Saarbrücken, denn es stellt sich heraus, dass meine Tickets ungültig sind. Ich könnte nach derzeitigem Stand der Dinge nicht mit dieser völlig ausgebuchten Maschine fliegen, denn es stünden bereits 4 Stand-by-Passagiere in der Warteschlange. Ich sehe die Sofi gedanklich als gestrichen. Wirklich nicht prickelnd.

Am Ticket-Helpdesk erfahre ich, dass meine Tickets am 9. März verfallen seien, weil sie nicht bestätigt wurden. Alternativ wird mir angeboten, am Folgetag über Wien nach Ankara zu fliegen und nun auf Kosten der Lufthansa in einem Münchener Hotel zu übernachten. Doch es bleibt durchaus noch die Möglichkeit, bei Nichterscheinen eines Passagiers, die Maschine um 23.25 planmäßig zu nehmen. Eine ernüchternde Tatsache. Wenigstens ist mit Bernhards Ticket alles ok. Mein immer noch 27 kg schwerer Koffer ist da nur das kleinere Problem.

Inzwischen sind auch Elke und Wolfgang aus Stuttgart eingetroffen. Am Gate hat das Bording bereits begonnen. Bernhard, Conni, Elke und Wolfgang warten ab, was aus meiner Stand-by-Situation wird. Eine türkische Familie mit 3 Personen wartet neben einem weiteren Fluggast auf ihre Chance, diese Maschine zu besteigen. Meine Reisestimmung erreicht ihren Nullpunkt. Da bekommt der Einzelpassagier die Nachricht, dass eine andere Person abgesagt hat. Tja, er hat's gepackt! Außer mir und der Familie wartet niemand mehr am Gate. Ein Passagier fehlt aber noch. Der Stewart der Lufthansa erklärt den Türken, dass sie diese Maschine nicht bekommen können, weil die Flugtickets nicht bezahlt sind. Daher werde ich bevorzugt - mit ungültigem Ticket schon etwas widersinnig, aber es stimmt ja: Mein Ticket ist bezahlt!

Die Zeit verrinnt, und der letzte Fluggast lässt sich nicht blicken! "Herr Birkner, das ist ihre Chance", sagt der Lufthansa-Mitarbeiter zu mir. 0,3 Sekunden später steckt mein Ticket im Automaten und ich kann doch noch planmäßig mit LH3362 mitkommen. Nun eilt die Zeit; die Maschine sollte längst in der Luft sein.

Im Flugzeug angekommen ist die Freude groß und die Cabin-Crew applaudiert bei meiner Ankunft. Das ruft sogar Captain Wendt auf den Plan, der sein Cockpit verlässt und mich persönlich begrüßt...

Hach ja - bis hier her war's ja gar nicht schwer. Der Tag wäre perfekt, falls nun auch noch mein Haupt-Gepäck im Frachtraum liegen sollte. Eine Stewardess erteilt einem Fluggast einen Rüffel, weil er 2 Handgepäckstücke mitbringt. Das scheint jedoch speziell für mich geradezu ein völlig akzeptables Privileg zu sein. Im Eiltempo geht es an der Start und LH 3362 startet pfeilschnell in den Münchener Himmel in Richtung Ankara. Der Finsternis entgegen. Ein beruhigendes Gefühl...

 

Weiter geht's im Reisetagebuch mit dem Montag, 27. März 2006