Mein Reise- und Stimmungsbericht

Tag 2 - Donnerstag, 28. Oktober 2004

Wenn der Hahn nachts kräht zur Mondfinsternis

Alle gezeigten Bilder von Alexander Birkner (Canon EOS 50)

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Aufnahmetechnik:

Kameraset

4" Maksutov (Russentonne) auf EQ2 mit Nachführ- Motor für RA auf Berlebach- Holzstativ,

Kamera Canon EOS 50 + IR- Fernauslöser an leerem Soligor- Okularadapter in Fokaltechnik mit 140mm,

Aufnahmen ab 02.44 Uhr im festen Abstand von 10 Minuten

Film: Fuji Provia F 100 (partiell) und F-400 (Totalität)


 

 

Kurz vor 1 Uhr,

der 28. Oktober ist da, wir haben eclipse-day, und ich schaue mich vor unserem Domizil um. Tatsächlich ist die Wolkendecke ziemlich aufgerissen, Orion ist in seitlicher Lage am Osthimmel zu sehen und der kugelrunde Mond taucht die Umgebung in ein goldenes Licht. Hier und da einige harmlose Wolkenfelder.

 

Endlich!

Der Polarstern wird sichtbar. Ich trage die Ausrüstung auf die Dachterrasse und beginne mit dem Aufbau. Wie immer Stativ ausbalancieren, Montierung aufsetzen und - das ist neu für meine EQ2 - die Polachse mittels Sternenzeiger- Laser auf den Himmels- Nordpol ausrichten. Zunächst wird, wie immer, die Montierung mit dem Kompass grob auf Norden gestellt und an der Polachse die geografische Breite eingestellt, die hier 36° beträgt. Jetzt kommt Manfreds Laser ins Spiel. Er hängt parallel an der Polachse und zeigt mir nach dem Einschalten, wie groß die Abweichung vom Himmelspol im Vergleich zur Kompassmethode tatsächlich ist. In diesem Fall deutlich daneben, die Montierung zeigt zu weit südlich.

 

Jetzt ist das Korrigieren

ein Kinderspiel und zudem schnell erledigt. Natürlich ist auch der Laser keine hochpräzise Einnordungs- Methode, doch ist sie so genau, dass der Mond erst nach über 1 Minute langsam in DEC abweicht. Das reicht für die Mofi völlig. Doris experimentiert mit der Digicam und sucht nach der geeigneten Belichtung, Jürgen schaut der ganzen Szenerie zu. Nach der ersten Testaufnahme am Teleskop ist alles ok.

 

Um 1.50 Uhr

scheint ein Wunder geschehen: Nur noch ein paar Rest- Feuchtigkeits- Schleier ziehen über den Zenit, der Rest des Himmels ist fast perfekt klar, der Mond zeigt einen leichten Halo. Fast unglaublich ist, dass sich der Wind quasi völlig gelegt hat. Nur gelegentlich sorgt eine sehr leichte Brise dafür, dass die Objektive frei von Feuchtigkeit bleiben. Das sind 100% gute Bedingungen, wenn man nur einmal 2 Stunden zurück denkt. Das Zwischenhoch hat uns erreicht, was auch deutlich an der Stimmung zu bemerken ist. Die Präzision der Vorhersage ist fast erschreckend.

 

Wir sind einsatzbereit,

und die obere Etage ist es auch. Was noch fehlt, ist eine passende Spechtel- Liege. Was gibt es schöneres, als mit dem Fernglas in aller Ruhe zu beobachten? Deshalb kommt die Liege aus dem Wohnraum auf die Dachterrasse. Mein Fotoprogramm mit Bildern im 10-Minuten-Takt erlaubt gemütliches Spechteln über die Dauer der Finsternis.

 

Um 2.05 Uhr

schreitet Luna leise und vor allem unsichtbar in den Halbschatten der Erde. Die Finsternis hat begonnen. Wie sieht es in Deutschland aus? Die wüstesten Prognosen scheinen sich zu bewahrheiten, denn als ich Marc anrufe, bemerke ich schon im Hintergrund den kräftigen Wind bei ihm in Halle/Saale. Enttäuscht berichtet er mir von einer geschlossenen Wolkendecke und düsteren Aussichten. Aber er hält die Stellung und ist bereit für das event.

 

Ähnliches berichten

mir Manfred Haberstroh und Kira Baus aus Saarbrücken. Hier sind die Sichtchancen gleich Null, es regnet bereits. Und das, obwohl der Mond dort gegen 23.00 Uhr noch durch hohe Wolken erkennbar war. Bei diesen Berichten mutet der klare Himmel über uns fast fremdartig an! Doch noch haben wir hier in Chipiona nicht gewonnen.

 

Der Zeitpunkt,

wann ich den Halbschatteneinfluss mit dem Fernglas erkenne, ist um 2.40 Uhr. Das erste Bild am Teleskop starte ich um 2.44 Uhr an einem Vollmond, der an der östlichen linken, oberen Ecke schon eine auffallend dunkle Kalotte zeigt. Luna ist zu dieser Zeit etwas mehr als zur Hälfte in den Halbschatten vorgedrungen. Mit dem bloßen Auge ist es nicht klar wahrzunehmen, aber Teleskop und Fernglas zeigen eine deutliche Eintrübung.

 

Ziemlich blödsinnig

verhalten sich die spanischen Hähne in dieser fast menschenleeren Gegend. Sie krähen um halb 3 morgens genau so, wie sie das eigentlich vor Sonnenaufgang tun sollten. Im Garten des Hauses durchpflügt ein Schweinchen das Areal. Und etliche Hunde übermitteln sich ihre Botschaften über viele Kilometer hin und her. Gelegentlich entwickelt sich eine immense Lautstärke in der unruhigen Nacht.

 

In den nächsten 10 Minuten

können wir alle mit dem bloßen Auge eine graue Eintrübung am linken Mondrand beobachten. Die Uhr zeigt 3.15, als ich im Sucher der EOS 50 den Beginn der Finsternis (U1) zweifelsfrei bestätigen kann. Die Kernschattenphase beginnt dunkelgrau. Der schon oft gezogene Vergleich zu einlaufender Tinte passt auch hier sehr gut.

 

 

Schon zum 6. Mal

erlebe ich selbst eine Mondfinsternis, aber ist es immer wieder aufs neue spannend. Auf der bequemen Liege studiere ich 5 Minuten nach U1 den bereits verfinsterten Teil des Mondes. Dieser Bereich sieht cremefarben aus, ein Mix aus grau und braun, mit einen Hauch von weiß am Mondrand. Noch ist kein dramatischer Helligkeitsrückgang in der Landschaft erkennbar.

 

Doris

macht 10 Minuten nach U1 ein länger belichtetes Foto, dass bereits eine Orangerotfärbung hervor bringt. Eine kleinere Wolkenbank mit Restwölkchen zieht über den Mond, von Westen kommend. Ebenfalls am Westhorizont taucht eine dickere Wolkenbank auf. Das Ende des Abschnittes mit klarem Himmel scheint uns schon jetzt zu erreichen. Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit, denn um 2.48 Uhr erreichen die ersten Wolkenfetzen des nächsten Tiefausläufers den verfinsterten Mond. Noch über eine halbe Stunde bis zur Totalität.

 

Um 4.13

kann man leicht mit bloßem Auge die rotbraune Verfärbung der Mondoberfläche sehen. Der noch unverfinsterte Teil wirkt trüb, was nichts mit den dichter gewordenen Wolken zu tun hat. Das Umgebungslicht hat erheblich abgenommen, mein timetable mit den Daten der Mofi kann ich ohne Rotlicht- Lampe nicht mehr lesen. Die im Osten noch erkennbaren Sterne treten klarer aus dem Himmel. Unser größter Feind, die Wolken, nehmen jetzt Überhand und bedecken den fast komplett bedeckten Mond vollständig; wir verlieren den Sichtkontakt !

Sehr ärgerlich, beginnt doch gerade jetzt eine der optisch schönsten Phasen der Finsternis! Es nutzt nichts, ausgerechnet der dichteste Teil der Wolkendecke zieht in Höhe des Mondes über uns. Das bleibt auch so, bis um 4.23 Uhr die Totalität beginnt.

 

Kurze Zeit später

bewegt sich eine Wolkenlücke in die korrekte Richtung und gibt tatsächlich den Blick auf den verfinsterten Mond frei. Nachdem ich eine 30-Sekunden-Belichtung gestartet habe, kann ich die Finsternis endlich doch noch genauer studieren. Luna steht noch im Randbereich des Kernschattens. Der Gesamteindruck ist für mich eine eher helle Finsternis. Der Farbton am westlichen Mondrand ist fast weiß, dann ein recht kleiner Übergangskorridor zu einem rotbräunlichen Ton, und wie ich sagen würde, etwa ab der Mitte des Mondes bis zum linken Rand ein eher bräunlicher Ton. Einen Farbsaum- oder Ring um den Mondrand kann ich nicht feststellen.

 

Der Wolkenvorhang fällt

nach etwa 40 Sekunden erneut, und anhand dieser kurzen Zeit kann ich natürlich keine realistische Angabe zur Helligkeitsabschätzung mittels Danjon-Skala machen. Dazu ist Luna auch noch zu weit von der Mitte der Finsternis entfernt. Doch als erste Abschätzung ist die Totalität zu diesem Zeitpunkt relativ hell, mein Wert ist L 2,9.

 

Hier einige Bilder des Teleskops:

 

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SMS-Austausch

mit Marc. Bei ihm keinerlei Sicht. Bei uns ebenso. Leider ändert sich an dieser Situation auch nichts wesentliches, aber hier und da ergeben sich einige Wolkenlöcher, die den verfinsterten Mond kurz zeigen. Um 5.30 Uhr sind wir eine viertel Stunde vom Totalitätsende entfernt, als größere Strukturen die Wolkendecke teils splittet. Es gelingen uns erneut eine Blicke zum roten Mond, aber nur sekundenweise. Ich bleibe dabei, dass die Finsternis eher hell zu sein scheint. Für Fotos reichen die kurzen, klaren Momente nicht aus.

 

Das Totalitätsende

um 5.44 Uhr bringt ein paar Regentröpfchen, während im Norden und Osten Teile mit freiem Himmel zu sehen sind. Sogar Sterne am Nordwesthimmel sind sichtbar, obwohl aus Westen eine dunkle Wolkenwand auf uns zukommt. Es hat keinen Zweck, weiter zu beobachten, die Finsternis ist für uns gelaufen. Noch während dem Abbau der Geräte verdichtet sich der Himmel mehr und mehr. Gesehen haben wir also nur die erste partielle Phase und einen kurzen Moment der Totalität. Andererseits wäre das Ergebnis zuhause noch schlimmer ausgefallen, nämlich ohne jegliche Fotos.

 

Es ist an der Zeit,

wenigstens ein bisschen Schlaf nachzuholen. Die kraftlose Sonne versucht gegen kurz vor 8 Uhr, aus den Wolken zu spitzen. Es ist etwas freundlicher geworden, aber überwiegend bewölkt. Der Vorteil unseres Landhauses ist nun, dass ich die Ausrüstung bequem und in aller Ruhe auseinanderbauen kann.

 

Anschließend

verlassen wir unseren Spechtelort, der uns nicht das größte Glück gebracht hat, aber dennoch in schöner Erinnerung bleiben wird. Frühstück tut Not! Wir fahren zurück zur Pension von Daisy und Jorge. Immerhin haben hier auch einige Besucher Teile der Mofi vom Balkon aus gesehen. Mein erstes Verlangen ist zunächst der Internet- Zugang. Ich schreibe einen kleinen Beo- Bericht in die Solar Eclipse Mailinglist (SEML). Den bisherigen europäischen Meldungen nach gab es kaum erfolgreiche Beobachtungen aus Deutschland. Hier regnete es vielerorts, teilweise Erfolge gab es in Bremen.

 

Österreich und die Schweiz

waren größtenteils bewölkt mit Lücken, unter denen teils die Totalität gesehen werden konnte. Belgien und die Niederlande wurden quasi ganz ausgesperrt von der Finsternis. Sieger sind dieses Mal ausgerechnet die nordischen Länder. Das südliche Norwegen und Schweden, aber auch London waren erfolgreich. Viele Wolken auch über Italien und Frankreich.

 

Nach einem belebenden Frühstück

erkunden wir das touristenleere Chipina, dass mittlerweile unter einem fast klaren Himmel liegt. Angenehme 23°C bei einem leichten Wind. Gemütlich und urig wirken die zahllosen Gässchen. Doch auf den Straßen herrscht nur wenig betriebsames Treiben. Der späte Oktober ist keine Reisezeit, die meisten Anwohner sind saisonbedingt arbeitslos. Doris, Jürgen und ich schauen uns einige Sehenswürdigkeiten des Ortes an. Der Himmel zeigt sich fotogen blau. Das ändert sich schon wieder ruck-zuck. Wir haben kaum die Küstenpromenade erreicht, als dunkle Wolken einen heftigen Sturm mit ergiebigem Schauer mit sich bringen. Innerhalb von Minuten kippt die Wetterlage, das Meer peitscht hohe Wellen gegen die Strandmauer und die Windgeschwindigkeit dürfte Stärke 8 erreichen. Die Palmen biegen sich im Wind.

 

Beste Zeit für ein Nickerchen.

Der schnelle Wetterwechsel erinnert etwas an Island, denn als wir am Nachmittag wieder fit sind, scheint die Sonne bei angenehmen 25°C, einem leichten Wind und wenigen Wolken...

 

 

 

 

Doris und ich

setzen unser Fotoshooting in Strandnähe fort und stellen fest, dass der Atlantik saukalt ist! Gerade rechtzeitig zum Abendessen sind wir zurück in den Pension, wo Jorge schon mit einem leckeren Forellen-Essen auf uns wartet. Pommes sind out, wir bekommen wohlschmeckende, gebackene Kartoffelecken dazu serviert. Der Abend zieht schnell dahin in gemütlicher Runde.

 

 

Ein letztes Mal

gehen wir zusammen auf eine der Balkone des Hauses und genießen die Aussicht auf das Meer und den wunderschön angestrahlten, hohen Leuchtturm von Chipiona. Unser Kurztrip geht zu Ende.

Fremdlicht strahlt das Meer in einem goldenen Farbton an. Die Lichtquelle steht hinter dem Haus und ist ein immer noch kugelrunder und heller Erdmond...

 

 


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