ASE 2005 - Meine Reise zur ringförmigen Sonnenfinsternis in Tunesien

Dienstag, 04. Oktober 2005

Reisetag 5/8, Finsternistag E +1


Von Wüstentouren in die Unendlichkeit


 

Oh Schreck!

Da haben wir noch einmal großes Glück gehabt. mit den Wetterbedingungen am gestrigen Sofi-Tag. Als ich heute Morgen gegen 5.45 Uhr in Richtung Strand marschiere - hoffend auf einen weiteren, grandiosen Sonnenaufgang über dem Mittelmeer- zeigt sich der Himmel rundum in eine geschlossene Wolkendecke gehüllt. Es gibt nichts zu fotografieren. Aber keiner ist wirklich böse deshalb. Allerdings wäre ein blauer Himmel eine tolle Kulisse für unser Fotoprogramm auf der Fahrt durch die Wüstenregionen um Tataouine im Süden.

 

Abdul erwartet Conni

und mich  nach dem Frühstück für unseren Tagesausflug. Vom Hotel aus liegt der erste Fotostopp im 8 km entfernten Zarzis an einen erhöhten Standort, um einen großen Teil der Oase zu überblicken zu können. Die Temperaturen sind angenehm, und die weißen Gebäude kontrastieren sehr schön mit dem dahinter liegenden, türkisfarbenem Meer. Die grauen Farbe des komplett bewölkten Himmels hat seinen eigenen Reiz. Denn anders als das mitteleuropäische Grau in Grau sehen wir hier eine rostbraune Wolkenfärbung, die uns auch schon an den Vortagen aufgefallen ist.

 

Im Tiefflug

verlassen wir Zarzis über die C115 in Richtung Neffatia. Auf diesem Weg halten wir an einem Salzsee, der erst in der vergangenen Nacht etwas Regen abbekommen hat. Bis zum Horizont erstreckt sich die grau-weiße Landschaft in die Unendlichkeit, nur durchbrochen von der Straße. Die Landschaft wird monotoner. Immer weniger Palmen säumen den Straßenrand und die Umgebung. In der Entfernung tauchen die bis zu 500 Meter hohen Erhebungen des Atlas-Gebirge auf. Trostlose, vertrocknete Grasbüschel verteilen sich schier endlos.

 

Das klassische Wüsten-Klischee

fehlt bisweilen noch, und daher stoppt Abdul in einem lokal begrenzten Sanddünen-Areal. Barfuß erkunden wir das Gebiet. Mit jedem Schritt versinkt man tief im sandigen, ockergelben Boden. Bambusstauden-Barrikaden verhindern das Verwehen der Dünen. Ein bizarrer Anblick. Der Wind ist der einzige Begleiter, ansonsten herrscht beklemmende Stille. An der Leeseite rieselt der ultrafeine Sand den Hang herab. Der kurzzeitig auflebende Wind weht einige für die Kameras tödliche Sandkörner entgegen.

 

   

 

Wir kommen schließlich

in das lebhafte Wüsten-Städtchen Tataouine. Hier steht die einzige Verkehrsampel im südlichen Tunesien! Als Fortbewegungsmittel findet sich neben zahllosen PKWs eine nicht minder große Anzahl Fahrradfahrer, Eselkarren und Pferdegespanne. Als unbeschreiblich sind, wie auch anderenorts, die zahlreichen Tank-Stellen zu betiteln. Der Bindestrich zwischen Tank-Stelle hat seine Berechtigung. Genauer: Eine Tankstelle ist hier ein Platz, an dem Benzin aus einem Kanister in einen mit Stoff bespannten Behälter umgefüllt wird, von dem aus der Treibstoff durch einen Schlauch in den Tank läuft. Und die Alternative zur Zapfsäule geht auch!

 

Wir durch fahren die Stadt

und sind schon wieder in endloser Weite. Hier und da entdeckt man ein paar einzelne Berber-Höfe am Fuße der teils schroffen Bergkegel der Region. Abdul zeigt auf einen Berg, und wir sehen unseren ersten Dinosaurier!

 

In der Umgebung

von Tataouine gibt es sehenswerte Attraktionen zu bestaunen. Abdul zeigt uns die mittlerweile für Touristen freigegebene Anlage Ksar Oled Debbab. Die Straße zu dieser Sehenswürdigkeit führt steil nach oben, und es sind fast keine Besucher vor Ort. Dabei handelt es sich um eine einstige, große Berbersiedlung, die den Familien der damaligen Zeit nicht nur als Wohnung, sondern gleichzeitig als Nahrungssilo diente.  Ein stählerner Riesen-Adler wacht mit seinen ausgebreiteten Schwingen nicht nur über die Anlage, sondern schaut in die weite Landschaft und das Dorf im Wüstental. Mit seinen Krallen steht der Adler auf einem Podest, dass auf Knopfdruck mittels zweier Pumpen von Wasser umströmt wird - ein kostbares Gut in der Umgebung.

 

Wir besichtigen

das kleine Berbermuseum hier oben. Hand- und Fußschmuck der Berber-Frauen ist ebenso zahlreich zu sehen wie farbenprächtige Trachtenkleidung. Und vor den Berber-Höhlenwohnungen sehen wir schon wieder lebensgroße Dinosaurier - dieses Mal in großer Zahl! Gut, dass es sich um Imitate handelt, sonst bliebe nur die wohl erfolglose Flucht nach vorn. In der Gegend um Tataouine sind etliche Saurierskelette ausgegraben worden, und mit diesen hier stehenden Modellen möchte man auf die Fundstätten hinweisen. Schließlich erfüllen die friedfertigen Nachbauten möglicherweise ihren Zweck für einen Hollywood-Streifen...

 

Mittagszeit.

Die Sonne brennt. 27° Anfang Oktober fühlt sich ungewohnt an, ist aber sehr gut erträglich durch den steten Wind. Abdul fährt zurück nach Tataouine in ein kleines Lokal irgendwo an der Hauptstraße. Das schmale Haus ist voll, Einheimische wie Touristen sind am futtern an den engen Tischen. Bis zur halben Wandhöhe sind neutrale Kacheln aufgeklebt. Auf unsere Mahlzeit, bestehend aus wirklich gutem Salat und Spaghettis mit Hühnchen, müssen wir nicht lange warten. Die allgemeine Hektik und Lautstärke wird nur noch von der unfassbaren Geschwindigkeit übertroffen, mit der ein Mitarbeiter ein ganzes Baguette in Sekundenbruchteilen mit einem Hebelschneider zerteilt. Im selben Tempo kommt es im Korb auf die Tische. Das könnte auch eines der zahllosen Pausenlokale in Portugal sein, die ich von einem Urlaub aus 1998 kenne. Einfach, gut und schnell.

 

Nach dieser Stärkung

hebe ich noch ein paar Dinar an einem Bankautomaten in der Innenstadt ab, während Abdul uns 2 aktuelle Tageszeitungen organisiert. Die Sofi ist darin auch erwähnt, es gibt auch 2 Bilder. Anschließend fährt uns Abdul nach Douirette. Die auf einem Berg gelegene, ehemalige Berberhöhlen-Siedlung war ursprünglich Reisestopp libyscher Kaufleute auf dem langen Weg nach Gabes an der Küste. Die Anlage diente auch als Produktionsstätte für Webarbeiten und Olivenöl-Gewinnung aus der Ölpresse. Was wir heute davon sehen, sind vor allem Restaurierungsarbeiten in ihren Anfängen. Als wir ankommen, verlässt gerade eine Studiosos- Reisegruppe das Gelände. Eigentlich ist ein geländegängiges Fahrzeug nötig, doch Abdul fährt uns über Stock und Stein bis zur Aufstiegs-Treppe. Am besten erhalten dürfte noch die Moschee sein. Der steinige Weg führt in den Eingangsbereich der Anlage und geht steil nach oben. Eine gewisse Anstrengung ist nötig zum Ziel. Steine, nichts als Steine. Ebenso zahllos die Höhleneingänge an der emporsteigenden Felswand, die einst den nötigen Schatten und angenehme Temperaturen inmitten der verbrannten Erde boten.

 

Höhlensiedlung bei Douirette

 

Conni und ich

haben etwas Zeit zur Erkundung  der Anlage. Immer wieder sind an den Eingängen Abdrücke von Händen zu sehen. Sie vertreiben alle bösen Geister. Wir müssen aufpassen, nicht ins Leere zu treten. Steile Wegschluchten ohne Absperrung und metertiefe Abhänge mahnen zur Vorsicht. Wir verlassen diesen auf seine Weise mystischen Ort und fahren etwa 20 km weiter nach Chenini, bzw. Abdul versucht es. Die Wege sind teilweise nicht mit einem normalen PKW befahrbar, und genau daher muss Abdul verschiedene Wege ausprobieren. Das ist auch genau das Problem, worauf der ADAC-Reiseführer hinweist.

 

Schließlich

gelingt es ihm doch, diesen ebenfalls hoch gelegenen Ort zu finden. Wir sehen schon aus der Ferne die Eingänge der Höhlenwohnungen, die heute zumeist verlassen sind. Doch einige Berber sind wohnhaft geblieben. Die Wohnungsanlage fügt sich nahtlos in die grandiose Berglandschaft ein. Wir halten beim Relais Chenini, einer Rastanlage. Nur wenige Menschen passieren die Straße. Über eine Schotterpiste fährt uns Abdul zur wenige Kilometer entfernten, ältesten Moschee Cheninis in einsamer Abgelegenheit. Das völlig schief stehende , kleine Minarett sorgt für Verwirrung beim Blick durch den Sucher der Kamera. Man braucht einen anderen Standort, um die Schiefe des Turmes auszublenden. Mehrere Kuppeln bilden das Dach der Moschee, der etliche, vergleichsweise große Gräber vorgelagert sind.

 

 
    Moschee in Chenini  

 

Wir betreten die Moschee

und erfahren, dass hier einst Personen hinter einem großen, runden Stein eingeschlossen wurden. In der Mitte des überschaubaren Raumes finden sich alte Landesfahnen in bunten Farben. Wir lassen dem Hirten, der hier nach dem rechten sieht, ein paar Dinare und verabschieden uns. Direkt vor den Mauern der Grabreihen bietet sich Conni und mir ein fantastischer Blick in die endlose Weite des Tals zwischen den Bergen. Wirklich sehr beeindruckend! Hier wohnen in einzelnen Gehöften die sog. modernen Araber, die den Traditionen langsam den Rücken kehren. Hier und da steht eine Palme, in großzügigem Abstand dazu findet sich ein einzelnes Häuschen, wiederum gefolgt von freier Fläche usw.

 

Eine frisch vermählte

Braut kommt mit 2 weiteren Frauen an uns vorbei. Abdul erkennt die kürzliche Hochzeit an dem farbenfrohen Gewand. Zurück auf der Hauptstraße machen wir uns zurück auf den Weg in Richtung Hotel. Als wir wiederum Tataouine erreichen, gibt's einen tunesischen Cappuchino, der gut tut. Passender Snack inklusive.

 

Auf der einsamen Landstraße

C118 nach Zarzis stoppt Abdul urplötzlich abrupt. Ein junger Kamelhirte kommt mit seinem krächzenden Kofferradio zum Wagen, Abdul spricht arabisch mit ihm. Wir fahren einige hundert Meter in's Feld, und der neue Fahrgast rennt eilig an eine Art Zisterne. Er zieht eine gut gekühlte Flasche Kamelmilch aus der Tiefe und bringt sie zu Abdul. Die sei für seinen Bruder, der gesundheitlich nicht so gut da stünde, meint Abdul. Kamelmilch ist nach seiner Meinung das ultimative Heilmittel für alles, und auch der Potenz sollte es gut tun. Hmmm, es wäre dann wohl besser, wenn ich mal die Finger davon lasse, denke ich mir!

 

Nach ein paar

Gegenlicht-Kamelen auf dem Feld als Fotomotiv sind Conni und ich der Meinung, die tief stehende Sonne helfe uns nun zu gelungenen Spätlicht-Bildern des Salzsees von heute Morgen, den wir ja  bei dichten Wolken besucht hatten. Doch die Zeit reicht nicht, nicht hinten und nicht vorne reicht sie. Denn bei der Ankunft am See steht die Sonne schon wieder hinter dichten Wolken und außerdem schon viel zu tief! Die Kamelmilch muss mit einem Fluch belastet sein, ich wusste es!

 

Zwar ist es

äußerst schade, den Ort Matmata nicht besucht zu haben, aber wir haben heute einen Eindruck von dieser bizarren Wüstenlandschaft im nördlichen Afrika bekommen und sind zufrieden. Zurück in Zarzis ist die enge Straße in der Nähe des Marktes vollkommen übervölkert, und es geht nur zögerlich voran. Kein Berufsverkehr, sondern Einkaufszeit. Nahrungsmittel werden nicht zwangsweise auf Vorrat gekauft, sondern eher bei Bedarf.

 

Als wir das Hotel

erreichen, besprechen wir für den morgigen Tag eine Erkundungstour durch Zarzis mit Besuch des Wochenmarktes, sowie eine Rundfahrt auf Djerba. Der Abschluss unserer Tour ist der Besuch von uns allen bei Abduls Familie zu einem Abendessen. Eine Einladung mit besonderem Stellenwert, am meisten für Abdul.

 

Beim Betreten

des Hotels, geht bei der Rezeption gerade ein Anruf für mich ein: Kris Delcourte mit seiner Frau Katharine aus Belgien haben in einem Nachbarhotel eingecheckt. Darüber freue ich mich ganz besonders und wir verabreden uns für den Abend.

 

Kris und seine Frau

halten Wort, und so verbringen wir einen äußerst gemütlichen, mindestens viersprachigen Abend bei dem einen oder anderen Bierchen. Der Erfahrungsaustausch der Ringsofi steht natürlich an erster Stelle. K&K haben sie bei Douz in der Wüste erlebt. Auch hier muss es zum zweiten und dritten Kontakt schöne Perlen gegeben haben. Ja, es scheint wirklich nur Gewinner bei dieser Sofi zu geben. Von dem Skandal der blauen Folienfilter, die in den Apotheken verteilt wurden, ist er ebenso entsetzt wie wir. Kris berichtet uns von etwa 100 Beobachtern an seinem Spechtelplatz und hat damit wohl die meisten Mitbeobachter von allen Tunesien-Reisenden gehabt.

 

vlnr: Cornelius Peetz, Ellen Solms, Manfred Haberstroh, Katharine Low und Kris Delcourte

 

Wolfgang Otts Design-Shirt

gefällt den beiden genau so gut wie uns, und sie verlassen uns nach einiger Zeit mit diesem besonderen Souvenir. Auch Kris sehe ich zum zweiten Mal in diesem Jahr. Auf der Discovery haben wir uns kennen gelernt. Ein Ereignis bringt Menschen zusammen, und das ist eine der schönsten Erfahrungen bei der Jagd nach der finsteren Sonne...