Donnerstag, 29. Mai 2003

Tag E-2

- Stein und Eis -

Sunrise Vik 03:32

Moonrise Vik 03:34

Sunset Höfn 22:55

Moonset 20:50

Fotos können durch Anklicken vergrößert werden (neues Fenster)


Vik - Skaftafell-NP - Jökulsarlon - Höfn (ca. 300km)


In dem in Kieferholz gestaltetem Frühstücksraum des Hotels genießen wir bei strahlendem Sonnenschein unser Frühstück. Eine Sonnenbrille ist nötig, so ideal ist das Wetter. Nach dem Check-out im Hotel nehmen wir uns die fotogene Felsenformation nahe bei der Kirche in Vik vor die Linse. Dieses Gestein ist jetzt sehr schön von der Sonne angestrahlt.

Ziel ist heute abend Höfn im Südosten Islands. Das gute Wetter scheint uns treu zu bleiben. Bei Laufskalavara gibt es wieder eine Attraktion am Rande der Ringstraße. Scheinbar endlose kleine Türmchen aus Lavagestein sind hier in die Landschaft gebaut. Aber diesmal nicht von der Natur, sondern von Menschenhand. Nach der Schautafel soll jeder Besucher dieses Ortes einen Stein aufheben, und ihn auf einen der Türme oben auflegen. So entstand im Laufe der Jahre ein riesiges Areal aus Lavatürmchen (Bild oben).

Wir verpassen es, dem Ort Kirkjubaejarklaustur einen Besuch abzustatten, weil wir vor lauter Quatschen versehentlich daran vorbeifahren. Die ersten gut sichtbaren Gletscherausläufer des Vatnajökull kündigen sich an. Beim Vatnajökull handelt es sich um den größten Gletscher Europas. Nach Grönland und Südpol ist es mit 8.200qkm der drittgrößte Gletscher der Welt. Dennoch würden alle anderen in Europa vorhandenen Gletscher spielend in den Vatnajökull hineinpassen.

Die Fahrt geht vorbei an einem 60 km langen Lavafeld, das wieder mit Moosen bedeckt ist. Es soll eines der größten der Insel überhaupt sein. Wie mit dem Messer abgeschnitten, folgt schwarze, flachere Lava. So muss es auch auf dem Mond aussehen.

Plötzlich eine bizarr anmutende Konstruktion am Rand der Straße, die entfernt an abstrakte Kunst erinnert. Als hätte sich ein Flugzeug in den Boden gebohrt, ragt hier eine verbogene Stahlkonstruktion in den Himmel, auf einem Steinwall liegend. Wir sind in der Sanderebene Skeidarasandur, die zur rechten der Straße liegt. Beim einem wiederholten Ausbruch des Vulkans Grimsvötn im Jahr 1996 sind Millionen Tonnen Wasser und Eis über dieses Gebiet geflossen und zerstörten die Landschaft nachhaltig. Dabei ist auch ein Teil der Straße in Mitleidenschaft gezogen worden. Zwei Stahlbrücken sind ebenfalls vernichtet worden, und die verbogenen Träger davon hat man hier in die Landschaft gesetzt. Es müssen unglaubliche Kräfte am Werk gewesen sein. Somit mahnt die abstruse Eisenkonstruktion, dass die Zivilisation in Island bestenfalls geduldet ist.

Im Skaftafell NP scheint der Skaftafellsjökull und der benachbarte Svinafellsjökull zum Greifen nahe. Letzteren wollen wir uns aus der Nähe ansehen. Wir lassen den Wagen in einer Parkbucht an der Straße stehen und machen uns zu Fuß auf, den Gletscher zu erreichen. Fremdartige Moose wachsen auf den Steinen, in schillernd bunten Farben. Das Gelände wird zunehmend steiniger, und aus einer geschätzten Entfernung von 300m zum Gletscherrand ist sogar Klettern nötig. Von der Straße ist der Wechsel der Geländeform nicht einsehbar gewesen. Nur auf den ersten Blick ist die Ebene leicht zu durchqueren. Doch wir kommen nicht weiter, und kehren nach einigen Fotos wieder zurück zum Wagen.

Nach kurzer Rückfahrt zum Info-Point des Skaftafell-NPs und Mittagspause machen wir uns wieder auf den Weg. Der nächste Halt gilt dem Fjallsjökull. Dieser müsste erreichbar sein. Wir wagen mit unserem Yahris eine abenteuerliche Fahrt und verlassen die Ringstraße. Zunächst ist der Weg noch eine gut befahrbare Schotterpiste. Das Gelände wird immer rauher und buckeliger. Allmählich wird ein 4x4-Fahrzeug nötig, und als die Schlaglöcher überhand nehmen, stoppen wir. Was wir dann zu sehen bekommen, gehört für mich zu dem vielleicht beeindruckendsden Erlebnis auf der Reise.

Nach einem kurzen Fussmarsch gibt ein vom Gletscher aufgetürmter Schuttberg die Sicht frei auf das Ende einer Gletscherzunge. Es ist der Bereich der Moräne, wo der Gletscher massenhaft mitgeschleiftes Gestein aus den Bergen nach und nach wieder freigibt. Der Anblick ist unbeschreiblich. Man kann den ganzen Verlauf, den der Gletscher bis hoch in die Berge nimmt, bis hier unten hin verfolgen. In 50 Meter Entfernung vor mir löst sich das Eis sich in scheibenähnliche Fragmente auf. Etwas davor liegen die Eisbrocken, die sich schon vom Gletscher abgelöst haben und nun ganz langsam in der Sonne auftauen.

Zum ersten Mal bin ich an einem Ort in Island, in dem es vollkommen ruhig und absolut windstill ist. Die abgelösten Eisfragmente sind eingehüllt vom kristallklaren Tauwasser, das sie großräumig umgibt. Und gelegentlich wird die dramatische Ruhe durch ein zartes Klirren unterbrochen, wenn sich kleinere und größere Eispartikel ablösen und in das Tauwasser fallen. Das Geräusch ist ähnlich zerspringendem Glas. Und dann bilden sich auf dem Tauwasser konzentrische Ringe, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, wenn das Eis heruntergefallen ist. Eine Erfahrung für die Sinne.

Zunächst schenke ich den schwarzen Bergen rechts neben mir keine Beachtung. Manfred ist hier zugange mit der Kamera. Bei genauerem Hinsehen stelle ich fest, dass diese Berge gigantische Eisblöcke sind, die hier ganz langsam abtauen. Nur die Oberfläche ist mit schwarzem Gesteinsschutt und Staub bedeckt. An den Stellen, wo die Blöcke aufgebrochen sind, sieht man scheinbar einzelne glasklare Eiskristalle funkeln. Es sieht aus wie ein Diamant. Wir marschieren zurück zum Wagen, ich bin höchst beeindruckt und völlig fasziniert von dieser Welt aus Wasser und Eis.

Und auch der nächste Stopp am Breidamerkursand ist nicht weniger reizvoll. Die Gletscherlagune Jökulsarlon zieht sich unter einer Brücke sogar hindurch bis zum Meer. Hier treiben kleinere Eisberge gemächlich vor sich hin. Dieses Eis hat einen etwa 1000 Jahre langen Weg hinter sich. Seinerzeit ist es als Regen oder Schnee in den Bergen niedergegangen. Das Wasser leuchtet glitzernd klar in der Sonne, von blauem und weißem Eis durchsetzt. Etliche Seevögel haben es sich auf den breiteren Eisschollen bequem gemacht und nehmen ein Sonnenbad. Hier und da sind auch ein paar Robben zu sehen.

Das Wetter ändert sich auf unserer weiteren Fahrt; an den Berghängen scheinen starke Regenfälle niederzugehen, doch in Küstennähe bleibt der Himmel blau. Am Ortseingang von Höfn guckt eine etwa 20 Meter große Satellitenantenne in den Himmel. Es sieht nach einer Uplinkstation aus. Doch welche Signale hier ihren Weg in den Orbit nehmen, ist leider nirgends angeschrieben.

Höfn ist etwas größer als Vik, aber genau so übersichtlich. Einen Hafen gibt es. Und die üblichen Geschäfte. Unsere Unterkunft, das Höfn-Hotel, ist auf den ersten Blick etwas renovierungsbedürtig. Das Zimmer ist sehr eng und sicher nicht in erster Linie als Doppelzimmer ausgelegt. Aber es reicht.

Ich bin neugierig auf die Wetterentwicklung der nächsten Tage. Die Hotelführerin lässt mich an ihren Privat-PC, und so habe ich einen Internetzugang. Alle mir bekannten Wetterstationen melden verschiedene Auskünfte - keine Übereinstimmung. An diesem Abend sind Manfred und ich in einem kleinen, zweifelhaften Restaurant nahe des Hafens. Zwar hat die Bedienung nicht die größte Lust, etwas zu arbeiten, doch die Pizza ist richtig lecker.

Im Hotel checke ich, ob die Teleskopausrüstung für den Samstagmorgen einsatzbereit ist. Es ist alles ok. Müde sinke ich zu Bett. Schnarch.

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