Die schwarze Sonne über dem südlichen Afrika

TSE 2001 - Saros 127

Ein Tour - Kurzbericht


Den nachstehenden Bericht über die Sonnenfinsternis-Tour 2001 habe ich auf Anfrage für Zeitschriften veröffentlicht.

 

Manche werden süchtig davon, sagt man. Doch richtig von der Sache überzeugen konnten mich diejenigen, die es regelmäßig tun, zunächst nicht.

Die Rede ist von den sogenannten „Jägern der Finsternis“. Zeitgenossen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, immer genau dahin zu reisen, wo eine totale Sonnenfinsternis stattfindet. Bis in die entferntesten Winkel der Erde führt sie ihr Weg, egal, ob unerträgliche Hitze oder klirrender Frost vorherrschen. Ziel dieser Touren ist der schmale, lange Streifen, von dem aus die völlige Bedeckung der Sonne durch den Mond dann für wenige Minuten, ja, manchmal sogar nur Sekunden, betrachtet werden kann. Sei es nun zu Wasser, oder zu Land.

Was die Jagd nach der „schwarzen Sonne“ so unwiderstehlich macht, wurde mir am 11. August 1999 klar, als ich die berühmte europäische Finsternis im Norden Frankreichs beobachte. Eine grosse Wolkenlücke bescherte mir das Himmelsspektakel, als der Mond sich allmählich vor die Sonne schob und schliesslich total bedeckte. Die Eindrücke der prächtigen Korona am dunkelblauen Himmel, dem unheimlichen Licht in der Landschaft und diese ganz besondere Stimmung gingen nicht spurlos an mir vorüber. Schon nach 137 Sekunden war das Schauspiel der totalen Phase vorbei, und ich war überzeugt: Für diesen Anblick lohnt auch der weiteste Weg!

Und so reifte noch während der Rückfahrt in meinen Heimatort im Saarland die Idee, wie sich eine Reise zur nächsten Finsternis im südlichen Afrika realisieren lässt. Pauschalangebote aus dem Reisebüro gibt es diesbezüglich nicht, allerdings werde ich via Internet fündig bei der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. Sie organisieren eine Sonnenfinsternis-Tour über den Südafrika-Spezialist Sandveld-Tours aus Karlsruhe. Eine Reise mit Schwerpunkt Astronomie, also auch der Beobachtung des südlichen Sternenhimmels, trifft als Hobby-Astronom genau meinen Geschmack.

Tatsächlich sitze ich am 9. Juni 2001 mit 21 Gleichgesinnten im Flugzeug auf dem Weg nach Windhuk in Namibia. Viele von uns bekommen erst jetzt Gelegenheit, sich persönlich kennenzulernen, denn wir sind eine „internationale“ Gruppe aus Österreichern, Holländern und Deutschen. Ein ganzes Jahr an Vorbereitungen ist sehr schnell vorübergegangen. Notwendige Impfungen gehören genauso dazu wie die richtige Auswahl der Foto-Technik. Fast alle Teilnehmer haben ihr Teleskop im Reisegepäck, und das Gesamtgewicht sprengt fast die deutschen Toleranzgrenzen. Auch die Afrikanischen!

Die Sonnenfinsternis mit Beobachtungsort in Sambia wird der Höhepunkt am Ende der Reise. Zuerst freuen wir uns über die Schönheiten des südafrikanischen Kontinents. Unsere Reiseroute startet in der gemütlichen Hauptstadt Namibias, in Windhuk. Hier lebt und spricht man Deutsch, die einstige Kolonialisierung hat ihre Spuren hinterlassen.

Es herrscht gerade der afrikanische Winter. Der bringt am Tag angenehme 23°Celsius, kaum Luftfeuchte und einen azurblauen Himmel! Kurz vor unserem ersten Sonnenuntergang ist der Horizont in malerische Gelb-Rosa-Farbtöne getaucht und gibt der Stadt ein romantisches flair.

In den kommenden Tagen steuert uns die Reiseleitung mit einem Safaribus, einem Chevy sowie einem VW-Bus allmählich unserem Ziel entgegen. Wir erleben die Artenvielfalt der Tierwelt und Weite des Etoscha-Nationalparks im Norden Namibias. Dann überqueren wir die Grenze zu Botswana, und verlassen am Donnerstag, dem 14. Juni endgültig jegliche Zivilisation mit dem Besuch des Okavango-Deltas. Das Delta ist das grösste Wasserreservoir des Landes, und wohl wegen des üppigen Pflanzenwuchses fühlt man sich unweigerlich in eine Märchenlandschaft versetzt. Eine Reise mit Pioniercharakter schliesst Übernachtungen in Hotels überwiegend aus, und das Schlafen in Zelten ist reine Gewöhnungssache. Ich hätte nicht gedacht, den Zeltaufbau einmal so schnell zu beherrschen!

Eine für uns alle besonders beeindruckende Reiseetappe sind zweifelsohne die Viktoria-Fälle. Hier, an der Grenze zu Simbabwe, stürzt der Sambesi-Fluss über 100 Meter lautstark in die Tiefe und erzeugt eine Gischt, die schon aus einigen Kilometern Entfernung deutlich zu erkennen ist.

Die Fahrt geht weiter zur sambischen Hauptstadt Lusaka, und jetzt trennen uns nur noch 40 km von unserem Zielort Chisamba. Hier beziehen wir am Vorabend des Finsternistages unser „Eclipse-Camp“ und bauen die Zelte auf. Es ist ein grosses, freies Feld, dass uns ein Farmer zur Verfügung stellt.

An unser Lager grenzt ein kleines Dorf, und wir bekommen schnell Kontakt zu den Bewohnern. Sie können nicht glauben, dass wir wegen ein paar Minuten totaler Sonnenfinsternis eine so weite Reise hinter uns bringen. Vor allem die Kinder schauen uns sehr interessiert zu, wie wir unsere Teleskope und Geräte aufstellen. Ich weiss nicht, was in ihren Köpfen vorgeht, aber ich glaube, sie müssen uns für Ausserirdische halten. Etwas Ablenkung verschaffen ihnen unsere kleinen Geschenke in Form von Kugelschreibern und Notizblöcken. Sie finden schnell neue Besitzer.

Endlich ist der grosse Tag gekommen. Mit äusserst frischen 6°C beginnt der Sonnenaufgang an diesem Donnerstag, dem 21. Juni 2001. Der Himmel ist absolut wolkenfrei. Wie auch die meisten anderen unserer Gruppe bin ich mit Vorbereitungen zur Fotografie der Sonnenfinsternis beschäftigt. Spezielle Schutzfilter sind für die meiste Zeit der Finsternis vonnöten, um den Verlauf sicher zu beobachten. Teleskop einstellen, Videokamera richten und sich allmählich mental auf das bevorstehende Ereignis einstimmen. Die Nervosität ist bei allen zu spüren. Wird die Technik mitspielen?

Pünktlich um 13:40 Uhr Ortszeit beginnt der Mond, sich langsam über die Sonnenscheibe zu schieben. Noch 90 Minuten bis zur Totalität. Ganz allmählich wird das Umgebungslicht fahler. Und keine Wolke trübt die Sicht. Als der Mond den grössten Teil der Sonne verdeckt hat, überschlagen sich die Ereignisse.

Der Boden  hat eine rotmetallische Färbung bekommen und das Licht wirkt völlig fremdartig. Dann verschwindet der letzte Lichtstrahl der Sonne, die Totalität hat begonnen. Alle Kameras klicken, ein Raunen geht über das Feld. Die Begeisterung ist nicht länger zurückzuhalten, als der Mond die Sonne schliesslich vollkommen bedeckt. Was für eine gigantische Korona. Ich kann meine Begeisterung kaum bremsen, es ist ein Fest für die Sinne. Doch die 3 ½ Minuten sind viel zu schnell vorüber, als das erste Licht der Sonne wieder am Mondrand hervorblitzt. Überglücklich und begeistert umarmen wir uns, überall ist die Freude gross. Die Reise ist ein voller Erfolg, mit grandiosem Abschluss und tollen Erinnerungen. 

Doch am übernächsten Tag ist es am Flughafen in Lusaka schon Zeit, voneinander Abschied zu nehmen. Und meine Vorbereitungen für die Jagd nach der nächsten Finsternis sind bereits im Gange. Am 4. Dezember 2002 läuft der Pfad des Mondschattens durch Südafrika, geht dann quer über den indischen Ozean um an der Küste Westaustraliens bei Sonnenuntergang zu enden. Eine echte Herausforderung...